Sind falsche AGB für Onlinehändler abmahnfähig?

Noch bis vor kurzem war die Frage streitig, ob unwirksame (weil rechtswidrige) AGB in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht zu beanstanden sind, also abgemahnt werden können. Dieses Problem hat sich mittlerweile (gerade vor dem Hintergrund der noch immer nicht in nationales Recht umgesetzten UGP-Richtlinie) geklärt – wieder einmal zu Ungunsten der Online-Händler.

Rückblick und Diskussion
Das OLG Hamburg hat Ende 2006 noch entschieden (Beschluss vom 13.11.2006 – Az. 5 W 162/06), dass eine AGB-Klausel, die die Rechtsstellung des Kunden ersichtlich nicht verbessert, sondern verschlechtert, nicht zwingend einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellen müsse. Diese Einschätzung ist jedoch auf Grund des Gebots richtlinienkonformer Auslegung des UWG am Maßstab der UGP-Richtlinie seit dem 12. Dezember 2007 nicht mehr haltbar. ….

So muss seit diesem Zeitpunkt in Deutschland die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (im Folgenden „UGP-Richtlinie“) berücksichtigt werden mit der Folge, dass die entsprechenden Verbraucherschutzrechte nun allesamt richtlinienkonform auszulegen sind.
Zur damaligen Argumentation des OLG Hamburg im Einzelnen
OLG Hamburg: „Verbraucherschützende AGB-Klauseln sind nicht zwingend Marktverhaltensregelungen“

Das OLG Hamburg argumentierte unter anderem, dass nicht jede verbraucherschützende AGB-Klausel auch dazu bestimmt sei, das Marktverhalten zu regeln. Eben dies ist aber zwingende Voraussetzung zur Annahme eines wettbewerbsrechtlichen Verstoßes.
Aus diesem Grund sei in vielen Fällen rechtswidriger AGB-Klauseln bereits der Anwendungsbereich des Wettbewerbsrecht nicht eröffnet mit der Folge, dass diese auch nicht abgemahnt werden könnten.

Das OLG Hamburg begründete dies wie folgt:
„Bei den §§ 307 ff. BGB handelt es sich ebenso wie bei sonstigen allgemeinen Vorschriften des BGB, nach denen vertragliche Absprachen unwirksam sein können – z.B. §§ 134, 138, 242 BGB – um Bestimmungen, die darauf gerichtet sind, das individuelle Verhältnis der Vertragsparteien zueinander zu regeln. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche eines Wettbewerbsteilnehmers entsprechen nicht dem Zweck eines verletzten Gesetzes, wenn dieses nur den Schutz von Individualinteressen eines anderen Wettbewerbsteilnehmers bezweckt (Sack WRP 2004, 1307, 1313). So können z.B. bei Verletzungen von Marken- oder Urheberrechten nach der Rechtsprechung des BGH nur die Schutzrechtsinhaber hiergegen vorgehen, nicht die übrigen Marktteilnehmer wegen unlauteren Wettbewerbs, auch wenn sich der Schutzrechtsverletzer durch die Schutzrechtsverletzung vor dem Mitbewerber einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung verschafft (Sack a.a.O.), was regelmäßig der Fall sein wird.“

Schon vor dem Hintergrund des nationalen (deutschen) Rechts war diese Argumentation durchaus angreifbar: So ist das OLG Hamm etwa der Meinung, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) Regelungen des Marktverhaltens im Interesse der Marktteilnehmer sind (Urteil vom 26.02.2008, Az. 4 U 172/07), da nicht entscheidend darauf abgestellt werden könne, dass diese Regelungen zunächst darauf gerichtet sein mögen, das individuelle Vertragsverhältnis der Vertragsparteien zu regeln. Denn solche Bedingungen seien in immer gleicher Anwendung für eine Vielzahl von Verträgen mit Verbrauchern im Fernabsatz vorformuliert. Sie beeinflussen deren Kaufverhalten schon durch ihre ständige Verwendung im Rahmen der Internet-Angebote. Der Verwender verschaffe sich damit auch einen wettbewerbsrechtlichen Vorteil, weil anzunehmen sei, dass der Verbraucher auch diese Regelungen für wirksam hält und sich von ihnen davon abhalten lassen kann, seine Rechte wahrzunehmen.

Seit dem 12. Dezember 2007 ist das UWG am Maßstab der UGP-Richtlinie zwingend richtlinienkonform auszulegen, so dass nun verbraucherschützende AGB-Klauseln als Marktverhaltensregelungen zu qualifizieren sind. Dies wird unter anderem damit begründet, dass die Verwendung unwirksamer AGB einen Verstoß gegen die „beruflichen Sorgfaltspflichten“ darstellt (vgl. hier Art. 7 IV lit. d UGP-Richtlinie). Nach jetzigem Recht ermöglicht damit das UWG eine umfassende wettbewerbsrechtliche Kontrolle der Verwendung unwirksamer AGB.
OLG Hamburg: „Die Verwendung von AGB ist nicht zwingend eine Wettbewerbshandlung i.S.v. § 2 I Nr. 1 UWG.“

Nach der damals vertretenen Auffassung des OLG Hamburg könnte allenfalls die Verwendung solcher allgemeiner Geschäftsbedingungen Gegenstand eines Verbots nach § 4 Nr. 11 UWG sein, deren Verwendung sich im Markt, d.h. bei der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld des Vertragsschlusses, auswirkt. Ansonsten läge schon keine Wettbewerbshandlung i.S.v. § 2 I Nr. 1 UWG vor.

Das OLG Hamburg nannte hierzu einige Beispiele:
„Als gemäß § 307 BGB unzulässige Klausel, die sich auch am Markt, und zwar zu Lasten der Mitbewerber und Verbraucher – nämlich bei der Kundenaquise – auswirken könnte und daher möglicherweise über § 4 Nr. 11 UWG verboten werden könnte, sei beispielhaft auf den bei Ulmer/Brandner/Hensen (AGBRecht, 10.Aufl., § 1 UKlaG Rn.2) genannten Fall hingewiesen, dass eine Bank sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Sparkontovertrags das Einverständnis des Kunden geben lässt, ihn zwecks Verabredung von Besuchsterminen zum Abschluss von Versicherungsverträgen anrufen zu dürfen (nach OLG Stuttgart BB 97, 2181). Beispiel für eine Verbraucherschutzvorschrift, die eine Regelung des Marktverhaltens enthält, ist die Belehrungspflicht des Verkäufers im Fernabsatz nach § 312c Abs.1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs.1 BGB-InfoV, welche rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Käufers zu erfolgen hat.“

Auch der Begriff der „Wettbewerbshandlung“ ist seit dem 12. Dezember 2007 richtlinienkonform auszulegen. Infolgedessen gilt laut Art. 3 I UGP-Richtlinie die Richtlinie für alle unlautere Geschäftspraktiken i.S.d. Art. 5 UGP-Richtlinie, unabhängig davon, ob diese vor, während oder nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenes Handelsgeschäft anzusiedeln sind. Bei einer solchen Auslegung des UWG fallen unter den Rechtsbruchtatbestand Verstöße gegen alle Vorschriften, die das Verhalten eines Unternehmens gegenüber Verbrauchern regeln, auch soweit sie den Abschluss und die Durchführung von Verträgen über Waren und Dienstleistungen betreffen.
Hintergrundwissen
Übrigens, das OLG Köln entschied erst kürzlich (also lange nach In-Kraft-treten der UGP-Richtlinie), dass unwirksame AGB-Klauseln nicht gleich in der Regel einen Wettbewerbsverstoß begründen müssten (Urteil vom 16.05.2008, Az. 6 U 26/08) und bestätige damit ein im Ergebnis gleich lautendes Urteil des OLG Köln vom 30.03.2007 (Az. 6 U 249/06). Der Frage, ob die Verwendung von AGB-Klauseln auf der Grundlage der UGP-Richtlinie hätte wirksam angegriffen werden können, wich das OLG Köln aus:

„Die Anwendung der RL UGP kommt nicht in Betracht, weil die verfahrensgegenständlichen etwaigen Verstöße sämtlich vor dem 12.12.2007 erfolgt sind. Art. 19 RL UGP sieht zwar die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht bis zum 12.6.2007 vor, ordnet aber zugleich für den Fall, dass diese Zeitvorgabe nicht erreicht wird, an, dass die Vorschriften der Richtlinie ab dem 12.12.2007 anzuwenden seien. Diese Regelung wäre gegenstandslos, wenn die RL UGP auch ungeachtet ihrer Umsetzung in nationales Recht schon ab dem 12.6.2007 angewendet werden müsste. Aus diesem Grund kann auch nicht im Wege richtlinienkonformer Auslegung ein Rügerecht begründet werden, der sich aus dem geltenden nationalen Recht nicht ergibt.“

Fazit
Dass das UWG eine wettbewerbsrechtliche Kontrolle der Verwendung unwirksamer AGB ermöglicht, ist mittlerweile uneingeschränkt zu bejahen. Auch der Ruf nach der deutschen Bagatellklausel (vgl. § 3 UWG) wird in der Regel kaum weiterhelfen, da auch die Bagatellklausel wiederum richtlinienkonform am Maßstab des Art. 5 II lit. b iVm Art. 2 lit. e und k UGP-Richtlinie auszulegen ist. Im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung der UGP-Richtlinie kommt es im Hinblick auf die Wesentlichkeit des Verstoßes im Sinne des § 3 UWG jedoch nur darauf an, ob die Handlung nach Art. 5 II lit. a i.V. mit Art. 2 lit. e und k der Richtlinie geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Nach aktuell wohl herrschender Meinung ist dies im Fall der Verwendung unzulässiger Geschäftsbedingungen stets zu bejahen (vgl. etwa Köhler, NJW 2008, 177, 181). Denn schon die Verwendung solcher Klauseln kann insoweit entsprechenden Einfluss haben, weil der Verbraucher allein durch die Lektüre der AGB davon abgehalten werden kann, ihm gesetzlich zustehende Rechte geltend zu machen und damit ein Tätigwerden unterlässt. Dies genügt für die wettbewerbsrechtliche Relevanz (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG, Rn. 11.156 f.).

(Quelle: IT Recht Kanzlei)

Rechtliche Gundlagen „AGB“ im eCommerce