Kommende Top-Level-Domains kämpfen noch mit Unklarheiten
Zumindest auf die Domainwelt hat die allgemeine wirtschaftliche Krisenstimmung kaum Auswirkungen. Vielmehr meldet die österreichische Registry nic.at sogar Rekordzuwächse bei neuen .at-Domains. "Gerade die ersten zweieinhalb Monate 2009 waren die stärksten bisher", sagt nic.at-Geschäftsführer Richard Wein im Pressegespräch. Eher positiv sei die Stimmung aber auch andernorts gerade in Europa. So wächst auch die Zahl der .de-Domains immer weiter. Damit scheint das allgemeine Umfeld für die geplante Einführung zusätzlicher Top-Level-Domains (TLDs) mit Community- oder Markenbezug zwar gut. Allerdings sind wenige Monate vor dem geplanten Start der ersten Bewerbungsrunde noch viele Fragen offen – sowohl aus Sicht von Kritikern als auch Befürwortern.
Erst Mitte des Monats gab es in Barcelona einen Workshop des Council of European National Top Level Domain Registries (CENTR) , wo etwa 50 Registrys vertreten waren. "Es ist fast nirgends etwas von Krise zu spüren", berichtet Wein auf Nachfrage von pressetext. Einzig die sogenannten "Domainer", die vom Handel mit und den Werbeeinnahmen von geparkten Domains leben, seien nennenswert betroffen. Nic.at selbst dagegen meldet eine anhaltend positive Entwicklung und mit heute, Freitag, über 836.000 registrierte .at-Domains. Im Jahr 2010 hofft man, die Mio.-Grenze zu knacken. Auch die deutsche .de-TLD wächst immer weiter. Nachdem im April 2008 die Zwölf-Mio.-Marke überschritten wurde, gibt es heute schon mehr als 12,7 Mio. .de-Domains. An sich ist das Umfeld also gut für die geplante Einführung neuer TLDs. Dennoch bezeichnet Wein die aktuelle Planung, ein erstes Bewerbungsfenster noch im Dezember dieses Jahres zu öffnen, als "sehr ambitioniert". Denn die oberste Internetverwaltung ICANN muss vorher noch Studien etwa zu Markenrechtsfragen rund um neue TLDs durchführen. Hier sehen Kritiker ein großes Risiko an ".berlin" und Co, vor dem erst kürzlich die World Intellectual Property Organization gewarnt hat. Proctor & Gamble etwa habe abgeschätzt, dass Domainregistrierungen zu Markenschutzwecken, die durch neue TLDs nötig werden, Kosten im zweistelligen Mio.-Dollar-Bereich mit sich bringen würden. Außerdem sind Streits vorprogrammiert, etwa rund um ".apple". Hier könnte das Technikunternehmen erneut in Konflikt mit der Beatles-Plattenfirma Apple Corps geraten oder auch der amerikanischen Vereinigung der Apfelzüchter. Ein weiterer Kritikpunkt ist eine mögliche Verwirrung der Nutzer. Doch auch für Befürworter neuer TLDs sind noch wichtige Fragen offen. Dazu zählt etwa, als welche Art von TLD sie in der Struktur des Internets zählen und wer für Grundsatzentscheidungen innerhalb der TLD verantwortlich wäre. Hier wollen sich manche Interessenten nicht von der ICANN dreinreden lassen, die mit der US-Regierung verbunden ist. Außerdem will die ICANN internationalisierte Domainnamen auf TLD-Ebene – darunter solche in arabischen, chinesischen oder kyrillischen Schriftzeichen – gleichzeitig mit den anderen neuen TLDs einführen. Das stößt unter anderem den Russen sauer auf, die nötigenfalls mit einer eigenen Lösung und damit einer Fragmentierung des Internets drohen. Außerdem ist die Frage, für wen sich das teure Projekt einer eigenen TLD wirklich lohnt. "Vor allem für Tourismusregionen oder bekannte Marken wird diese Möglichkeit attraktiv", meint Wein. Angesichts der hohen Kosten solch eines Projekts und der damit verbundenen Zahl an Domainregistrierungen, die für eine rentable, unsubventionierte Umsetzung nötig wären, ist er aber skeptisch, ob sich optimistische Prognosen, die teils mehrere Tausend neue TLDs erwarten, erfüllen werden (Wien, pte/27.03.2009/11:35).