Im Jahre 2006 schwappten mehrere Betrugswellen mit gefälschten Überweisungen durch Deutschland und Österreich, betroffen waren unter anderen die Großräume Frankfurt/Main, Stuttgart und Wien. In einigen Städten etablierte die Kriminalpolizei zentrale Ermittlungsgruppen. In den meisten Fällen agieren nach Erkenntnis der Polizei gut organisierte Banden: sie fischen beispielsweise in großem Maße Überweisungsträger aus den Briefkästen der Institute, ändern darauf befindliche Empfängerdaten oder ahmen Unterschriften auf anderen Überweisungsträgern nach. Den Tätern kommt dabei entgegen, dass in vielen Instituten die Unterschrift auf einem Überweisungsbeleg erst bei vergleichsweise hohen Summen überprüft wird. Ein Grund dafür liegt an der hohen Anzahl der Überweisungen, die bei den Banken eintreffen: allein die Sparkassen-Finanzgruppe erhält im Jahr rund 800 Millionen Papierbelege, eine kaum zu überblickende Zahl. So setzen immer mehr Kreditinstitute auf die Hilfe von Software für den automatischen Vergleich von Unterschriften. Bisher hoffte so mancher Verantwortliche im Zahlungsverkehr, dass es seine Bank „schon nicht treffen werde“. Ein kaum kalkulierbares Risiko, wie die jüngsten Fälle zeigen.
Alain Sarraf, Spezialist für die Vorbeugung von Betrug im Zahlungsverkehr beim Böblinger Softwarehaus Softpro, ist in diesen Tagen ein viel gefragter Mann. Er kommt gerade von einer Konferenz aus den Vereinigten Staaten zurück, die einzig dem Zweck diente den dort immer weiter um sich greifenden Betrug mit Schecks einzudämmen. Gleichzeitig kommt das Thema Überweisungsbetrug in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder in die Schlagzeilen. Der Spezialist für Unterschriften-Prüfung wird immer wieder gebeten zu erklären, was Kreditinstitute tun können, um den Umgang mit Überweisungen für ihre Kunden endlich sicherer zu machen. „Überweisungsbetrug wird noch oft viel zu leicht gemacht“, so der international renommierte Experte „dabei gibt es zahlreiche Hilfsmittel für eine effektive Betrugsprävention. Vielleicht wissen einfach noch zu wenige, dass sich die Investition in die Automatisierung der Unterschriftenprüfung in der Regel rasch bezahlt macht“.
Ohne Software können längst nicht alle Belege geprüft werden
In den USA ist der „Scheckberg“ und seine Folgen noch viel dramatischer: Rund 40 Milliarden Schecks werden jährlich in den Vereinigten Staaten ausgestellt. Durch Scheckbetrug verlieren die Institute dort jedes Jahr Milliarden von Dollar, mit steigender Tendenz. Auch in Großbritannien oder Frankreich wird mit Schecks viel betrogen. Das Risiko ist für Betrüger noch verhältnismäßig gering und die Strafen sind in vielen Ländern kaum abschreckend.
Im Vergleich mit diesen Zahlen erscheinen die 1,6 Milliarden Überweisungen und Schecks, die 2003 in Deutschland ausgestellt wurden, gering. Doch für das einzelne Institut ist damit ein enormer Aufwand and Zeit und Kosten verbunden. Die Sparkassen-Finanzgruppe hatte von diesen Belegen 54 Prozent zu bearbeiten. Mit 17 Prozent folgen jeweils TAI/DZ-Bank und etb/Postbank. Jeweils 6 Prozent entfallen auf ZVG/WGZ und auf sonstige Institute. Mangelnde Kapazitäten und die hohe Anzahl an Belegen erklären also, warum Überweisungsformulare unterhalb bestimmter Beträge oft nicht geprüft werden.
Erst die volle Automatisierung der Unterschriftenprüfung macht dies möglich. Generell gilt, dass die Prüfung der Unterschrift auf Zahlungsbelegen einen Teil der Sorgfaltspflicht der Bank im Geschäftsverkehr mit ihren Kunden darstellt. In Deutschland sind Kreditinstitute verpflichtet, Fälschungen so gut es geht auszuschalten, und Auszüge zu kontrollieren (OLG Schleswig, Az. 5 U 69/93 und AG Frankfurt, AZ: 30 C 58/97-24), dennoch werden bisher relativ wenig Unterschriften auf Überweisungsträgern automatisch verglichen. In einem Bericht des Deutschen Depeschendienstes vom 21. September 2006 wird die Schadenssumme aufgrund von Überweisungsbetrug für 2005 auf rund 45 Millionen Euro beziffert. Dem Thema Überweisungsbetrug widmet sich ein sehr gut recherchierter Artikel in der Online-Enzyklopädie Wikipedia.
Unter den wenigen deutschen Instituten, die bereits automatisch prüfen, finden sich die HypoVereinsbank, die Sparkasse in Krefeld, die Berliner Bankgesellschaft oder die Volksbank Mittelhessen. Eine kluge Investition denn die Institute tragen das Risiko, sofern sie die Unterschrift nicht prüfen (BGH, AZ: XI ZR 117/96 und BGH, Az. XI ZR 325/00). In der benachbarten Schweiz wird heute schon nahezu flächendeckend ein automatischer Vergleich vorgenommen.
Täglich weltweit 25 Millionen automatisch geprüfte Unterschriften
Sarraf leitet die Produktentwicklung des 2005 eigens gegründeten Bereiches Betrugsprävention bei Softpro, einer Firma, die sich seit 1998 ausschließlich der softwarebasierten Prüfung von Unterschriften widmet. Bei einer der großen amerikanischen Banken werden heute die Unterschriften auf bis zu 15 Millionen Schecks pro Tag automatisch mit denen in einer Referenzdatenbank verglichen. Die erste Version der vollständig softwarebasierten Prüfung kam bereits 1994 bei der Credit Suisse zum Einsatz. Mittlerweile trifft man die Produktfamilie unter den Namen SignPlus oder FraudOne unter anderem auch in Australien, Brasilien, Großbritannien, Malaysia, Südafrika, Trinidad oder Zypern an.
Die Gemeinschaftsentwicklung mit IBM und dem Schweizer Partner App Informatik wurde seitdem kontinuierlich fortentwickelt, um den immer komplexer werdenden Ansprüchen stand zu halten. Sie basiert auf Erkenntnissen von Schriftsachverständigen. Bei Unterschriften auf Papier werden die statischen Bildmerkmale analysiert: dazu zählen Kreuzungen, Abzweigungen, Schleifen und Bogenformen. Diese Elemente werden gefiltert, kalkuliert und gewichtet. Beim Vergleich von Unterschriften wird ein Ähnlichkeitsgrad ermittelt. Liegt dieser innerhalb eines gewissen Toleranzrahmens, lassen sich die verglichenen Unterschriften folglich demselben Unterzeichner zuordnen.
Derzeit werden täglich weltweit über 25 Millionen Schecks und Überweisungen mit dieser Technik geprüft, ein Großteil davon in den Vereinigten Staaten. Sarraf: „Der Informationsbedarf bei den Instituten ist extrem hoch. Wir haben daher 2006 eine eigene Beratungsmannschaft aufgestellt. Geleitet wird das Team von einer der international bekanntesten Spezialistinnen für die Bekämpfung von Scheckbetrug – Angela Bardowell. Sie half bereits der Bank of America erfolgreich, ihre Anfälligkeit für Scheckbetrug zu minimieren.“
Tests mit dem Vergleich biometrischer Unterschriften-Merkmale gestartet
Softpros Produktpalette bietet mittlerweile auch die Möglichkeit zur Auswertung dynamischer Signale, Charakteristika, die auch als biometrische Merkmale bezeichnet werden. Zu ihnen zählen der Schreibdruck und die -geschwindigkeit. Erfasst werden können sie auf speziellen Schreibtabletts oder so genannten Tablet PCs. Dies zeigt, dass in der Unterschrift noch weitaus mehr individuelle Kennzeichen stecken als in ihrem Bild allein. Eine Reihe von Instituten im In- und Ausland haben damit begonnen, Unterschriften auf Schreibtabletts bereits während des Unterschreibens zu digitalisieren.
Die Lösung wird ausführlich vorgestellt auf dem Signatur Pavillon auf der Cebit (Halle 17, A01.15). Auf dem Gemeinschaftsstand im Rahmen der Fachmesse Bank-Finanz-Systeme stellt Wacom unter anderem erstmals sein jüngstes Gerät speziell zur beweiskräftigen Erfassung von Unterschriften vor. Ebenfalls am Stand ist mit Motion Computing einer der erfolgreichsten Hersteller der Welt von ultraleichten Tablet PCs. Motion Computing verwendet die Stifteingabe-Technologie von Wacom („Penabled“) in seinen Geräten. Demonstriert wird auf der Cebit wie der mobile Außendienst elektronische PDF-Dokumente mit Softpros SignDoc Dokumente (wie z.B. Kontoeröffnungen) ganz einfach unterschrieben werden können.
Tipps für mehr Sicherheit bei Überweisungen
Verbrauchern rät Sarraf, ihre Bankdaten stets vertraulich zu behandeln, sie also zum Beispiel nicht auf Postkarten zu schreiben, wie es im Versandhandel üblich ist. Belege wie Kontoauszüge sollten vor dem Wegwerfen stets zerrissen werden. Unter Betrügern besonders beliebt sind die Papierkörbe neben Kontoauszugsdruckern – dort finden sich häufig vertrauliche Informationen. Lastschriftbelege von der EC-Karten-Zahlung, auf der auch die Unterschrift sichtbar ist- quasi als Fälschungsvorlage – sollten daher ebenso gründlich vernichtet werden. Es ist ratsam, Kontoauszüge genau und in kurzen Zeitabständen zu überprüfen und Auffälligkeiten unverzüglich dem Geldinstitut mitzuteilen.
Einen ganz persönlichen Tipp hat Sarraf auch noch parat: Je ausführlicher und individueller man unterschreibt, desto schwerer macht man es einem Betrüger. Sarraf wörtlich: „Bei Unterschriften auf Papier prüft unsere Software wie ein Gremium von Schriftsachverständigen. Untersucht wird dabei das Ergebnis eines typischerweise unreflektierten motorisch-kognitiven Prozesses – des Unterschreibens. Deshalb gilt hier: lieber eine individuelle Sauklaue als eine leicht nachahmbare Unterschrift in Schönschrift.“ (pressebox, Böblingen, 05.03.2007).