Wachstumsmotor E-Commerce
Der Versandhandelsmarkt in Deutschland ist wesentlich umsatzstärker als bisher angenommen. In diesem Jahr werden im Versandhandel 26,3 Milliarden Euro umgesetzt, rund 30 Prozent mehr als bislang bekannt. Pro Kopf gibt jeder Deutsche im Schnitt 318 Euro im Jahr im Versandhandel aus. Der Versandhandel erreicht damit einen Rekordanteil am gesamten deutschen Einzelhandel von 6,8 Prozent. Diese Zahlen stellte der Bundesverband des Deutschen Versandhandels e.V. (bvh) auf seiner Jahrespressekonferenz in Frankfurt am Main vor. Sie sind Ergebnisse der repräsentativen Studie „Versandhandel in Deutschland“ des Forschungsinstituts TNS Infratest, Bielefeld, die der bvh in Auftrag gegeben hatte. In einer umfassenden, zweimonatigen Untersuchung wurden hier die deutschen Verbraucher nach ihrem Ausgabeverhalten im Versandhandel befragt.
Versandhandelsbranche entwickelt sich mit ungeheurer Dynamik
„Neue Bestellwege und neue Versandhandelsformen haben in den letzten zehn Jahren eine ungeheure Wachstumsdynamik im Markt ausgelöst. Motor war dabei eindeutig der Onlinehandel. Das hat die Umsätze des Vertriebskanals noch weit höher als uns bisher bekannt war steigen lassen“, so der Präsident des Verbandes, Rolf Schäfer, in Frankfurt. Um die vielen neuen Formen des Versandhandels auch vom Umsatz her quantifizieren zu können, hatte der Verband die breit angelegte Studie in Auftrag gegeben. Der Verband selbst war bislang nur von einem Marktvolumen in Höhe von rund 20 Milliarden ausgegangen. Das tatsächliche Marktvolumen liegt inzwischen bei 26,3 Milliarden Euro.Seit den Anfängen der kommerziellen Nutzung des Internet Mitte der 90er Jahre konnten die klassischen Katalogversender ihre Umsätze durch das Internet zusätzlich ausweiten. Darüber hinaus sind im Markt neue, höchst dynamische Versandhandelsformen entstanden. Neben den aus den klassischen Katalogversendern hervorgegangenen Multi-Channel-Versendern per Katalog und Internet wird der Versandmarkt inzwischen ergänzt durch reine Internetversender, eBay-Powerseller, Teleshoppingversender und den Apothekenversand. Hinzu kommen auch Stationärhändler und Hersteller, vor allem im Textilbereich, die inzwischen ihre Waren über das Internet auch direkt an den Endkunden verkaufen. Alle Versandhandelsformen gemeinsam werden in diesem Jahr einen Rekordanteil von 6,8 Prozent am gesamten deutschen Einzelhandelsumsatz von derzeit etwa 389 Milliarden Euro erreichen. Im Jahr 1996 lag der Marktanteil der Versender am gesamten deutschen Einzelhandel noch bei 5,8 Prozent.
Multi-Channel-Versender dominieren den Markt
Die Multi-Channel-Versender, also die Versender mit Angebot sowohl per Katalog als auch per Internet, haben im Markt mit Abstand das größte Gewicht. Mit einem Umsatz von 17,5 Milliarden Euro bestimmen sie das Marktgeschehen. Und mit einem Onlinevolumen von über 4 Milliarden setzen die Multi-Channel-Versender mehr im Internet um als jede andere Versandform, weit mehr auch als die reinen Internetversender, die hier ein Umsatzvolumen in Höhe von fast 3 Milliarden Euro erreichen.
Ebay-Powerseller erzielen inzwischen fast 2 Milliarden Euro Umsatz, Teleshoppingversender liegen bei knapp1,3 Milliarden Euro. Die Versender, die klassischerweise aus dem Stationärhandel kommen, setzen immerhin eine halbe Milliarde Euro um. Der erst seit dem Jahr 2000 bestehende Apothekenversand kommt inzwischen auf ein Gesamtvolumen von mehr als einer Viertel Milliarde Euro.
Über 51 Millionen Deutsche bestellen im Versand
Frauen sind die besten Versandkunden
Inzwischen sind 51,8 Millionen Menschen in Deutschland Versandhauskäufer, davon 27 Millionen Frauen und knapp 25 Millionen Männer. Frauen sind die besten Versandkunden, sie bestellen für 16 Milliarden Euro im Jahr Waren per Versand, Männer für 10,3 Milliarden Euro. Deutlich vorn liegen Frauen auch, wenn es um Bestellungen bei Versendern mit gemeinsamem Katalog- und Internetangebot geht sowie beim Teleshopping. Männer hingegen führen bei Bestellungen bei reinen Internetversendern und eBay-Powersellern.
Jedes fünfte Kleidungsstück wird im Versandhandel gekauft
Die beliebteste Warengruppe im Versandhandel ist die Bekleidung. Hier werden 12,1 Milliarden Euro, also fast jeder zweite Euro im Versandhandel, umgesetzt. Gemessen am gesamten deutschen Textileinzelhandel hat der Versandhandel sogar einen Marktanteil in Höhe von 21 Prozent. Jedes fünfte Kleidungsstück in Deutschland wird inzwischen im Versandhandel gekauft.
Die mit deutlichem Abstand zweitstärkste Warengruppe im Versand ist der Bereich Bücher, Bild- und Tonträger mit 16,4 Prozent aller Bestellungen. Unterhaltungselektronik und -technik folgt mit 7 Prozent, Haushaltsgeräte und -waren mit 6,7 Prozent. Auch für Hobby, Freizeit und Sammeln geben die Deutschen im Versandhandel gerne Geld aus, unter den beliebtesten Warengruppen rangiert dieses Sortiment auf Platz 5 mit 5,8 Prozent aller bestellten Waren. 5,6 Prozent aller per Versand verkauften Artikel sind Möbel oder Dekorationsartikel, 5 Prozent entfallen auf Medikamente und Drogerieartikel.
Um welche Produkte es sich auch immer handelt, eines ist sicher: Sie werden zunehmend im Internet bestellt. Das Umsatzvolumen der im Internet bestellten Waren wird 2006 auf einen Wert in Höhe von 10 Milliarden Euro steigen. Über 44 Prozent aller Bestellungen im Versandhandel gehen bereits elektronisch ein.
Dennoch gilt: Der Katalog ist ein unverzichtbares Medium in der Kundenansprache, ohne ihn gäbe es die hohe Zahl der Internetbestellungen gar nicht. Beinahe drei Viertel aller Internetbesteller haben vor dem Onlinekauf den gedruckten Katalog des Versenders in die Hand genommen, so die Studie.
Die Untersuchung hat auch ergeben, dass zwei Dinge für eine Kaufentscheidung im Versandhandel immer wieder entscheidend sind: Die Lieferung bis an die Haustür und die Tatsache, dass man im Versandhandel Dinge bestellen kann, die in Geschäften nur schwer, unter enorm viel Zeitaufwand oder gar nicht zu finden sind.
Mehrwertsteuererhöhung 2007 wird nicht voll weitergegeben
Die Versandhandelsbranche rechnet in diesem Jahr noch mit vorgezogenen Käufen der Konsumenten im Zuge der Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 2007. Für 2007 hingegen geht die Branche davon aus, dass die Ausgabefreudigkeit der letzten Monaten dieses Jahres nicht anhalten wird. Zumindest dann, wenn es um langlebige Konsumgüter geht. „Welche Auswirkungen das für den Versandhandel haben wird, hängt im hohen Maße vom weiteren Verlauf der Konjunktur hierzulande ab“, so Schäfer.
Einen erheblichen Teil der steigenden Mehrwertsteuer wird die Branche nicht an den Konsumenten weitergeben können, so die Einschätzung ihres Präsidenten. Sowohl die Transparenz und Vergleichbarkeit der Kataloge als auch ihre zum Teil langen Laufzeiten über den Jahreswechsel 2007 hinweg werden in vielen Fällen eine Änderung der Preise verbieten. „Dies ist auf der einen Seite eine Belastung für die Versandunternehmen, die die zusätzlichen Prozentpunkte der Mehrwertsteuer selbst zu tragen haben. Wir sehen hier aber auch eine erhebliche Chance gegenüber dem Kunden“, so Schäfer. Wie schon bei der Euroumstellung kann der Verbraucher den gedruckten Katalog für Preisvergleiche „vorher – nachher“ und gegenüber dem Stationärhandel heranziehen. Der Verband setzt darauf, dass die Kunden die hohe Preistransparenz und das gute Preisniveau honorieren wird (bvh, Frankfurt am Main, 10.07.2006).