Rechtsexperte: „Abmahnwesen außer Rand und Band“
Mehrere Tausend Euro Strafe – dieser Betrag schwebt weiterhin wie ein Damoklesschwert über den Köpfen von Unternehmern, die ihre geschäftlichen E-Mails immer noch nicht mit den erforderlichen Pflichtangaben versehen haben. Wie bei Geschäftsbriefen vorgeschrieben, dürfen seit Jahresbeginn auch in E-Mails Angaben zum Unternehmen, wie Name, Rechtsform, Vorstand, Handelsregisternummer und Registergericht nicht fehlen. Ist ein Unternehmen säumig und wird von einem Konkurrenten oder dem betreffenden Gericht ausgeforscht, droht in Deutschland ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro. In Österreich kommt man aufgrund des geltenden Firmenbuchgesetzes mit 3.600 Euro Strafe etwas billiger davon.
Im Interview mit pressetext warnen Rechtsexperten allerdings in erster Linie vor selbsternannten Abmahnfirmen, die sich an der rechtlichen Unsicherheit eine goldene Nase verdienen. „In Deutschland wird mittlerweile alles abgemahnt, was nicht niet- und nagelfest ist“, kritisiert der IT-Rechtler Max-Lion Keller (IT-Recht Kanzlei) im pressetext-Gespräch. Dabei drohen die professionellen Abmahnfirmen säumigen Unternehmen mit einem Gang vors Gericht und einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs. Im selben Atemzug wird den Unternehmen angeboten, die Angelegenheit über eine Unterlassungserklärung und die Begleichung der angefallenen Anwalt- und Bearbeitungskosten aus der Welt zu schaffen. Da der in Rechnung gestellte Spesenersatz zumeist nur einige Hundert Euro ausmacht, lassen sich viele Unternehmen aufgrund der Verfahrensandrohung vorschnell auf den faulen Deal ein.
„Wir raten betroffenen Unternehmen in jedem Fall Ruhe zu bewahren und nicht auf die Forderungen einzugehen“, meint der Rechtsexperte Gunter Estermann gegenüber pressetext. Aufgrund der fehlenden E-Mail-Angaben wegen unlauteren Wettbewerbs verurteilt zu werden, sei nämlich sehr unwahrscheinlich, zeigt sich Estermann überzeugt. „Außerdem werden derartige Abmahnfirmen den Gang zum Gericht ohnehin scheuen“, pflichtet ihm Keller bei. „Auch wir raten Betroffen daher, in keinem Fall eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und gleichzeitig den eigenen Auskunftsanspruch geltend zu machen“, so Keller. Jedes Unternehmen hat demzufolge das Recht, von den Abmahnern zu erfahren, woher die Informationen und Daten über das eigene Unternehmen stammen.
Die Praxis der Abmahnfirmen ist bereits gut erprobt. So wurde gerade Deutschland bei Einführung der Impressumspflicht auf Webseiten von einer regelrechten Abmahnwelle heimgesucht. „Die rechtliche Lage ist, was das Impressum von Webseiten betrifft, sehr verwirrend. Fakt ist, dass einige Unternehmen für das Fehlen des Impressums schon abgemahnt wurden. Bei unvollständigen Angaben gab es unterschiedliche Entscheide“, so Keller. Auch wenn der Sachverhalt eines fehlenden Impressums mit fehlenden Angaben in E-Mails nicht gleichgesetzt werden kann, raten die beiden Rechtsexperten Unternehmen in jedem Fall auf Nummer sicher zu gehen und die notwendigen Angaben in ihre E-Mail-Kommunikation zu integrieren.
Um Unternehmen die korrekte Kennzeichnung ihrer E-Mails zu erleichtern, bietet die IT-Recht Kanzlei (Generator) ab sofort einen kostenlosen Pflichtangaben-Assistenten an, der die geforderten Angaben je nach Rechtsform des Unternehmens online generiert. Wer sich lieber auf die Original-Gesetzestexte stützt, findet die Übersicht zu den Pflichtangaben in Österreich bei §14 im UGB (Unternehmensgesetzbuch). In Deutschland sind diese Angaben je nach Rechtsform auf §37a HGB (Handelsgesetzbuch), §35a GmbHG (GmbH-Gesetz) sowie §80 AktG (Aktiengesetz) verteilt. Die gesetzlichen Anforderungen sind in beiden Ländern im Wesentlichen deckungsgleich, da die Bestimmungen auf eine Richtlinie des europäischen Parlaments zurückgehen (pressetext.deutschland, München/Wien, 16.05.2007).