Preview mit Ecken und Kanten lässt Fragen offen
Der mit Spannung erwartete neue Google-Service "Wave" steckt derzeit zwischen der vom Unternehmen angekündigten "Revolution" und einem medialen Hype fest. Seit einigen Tagen steht das Produkt einem erlesenen Kreis von weltweit rund 100.000 Testnutzern in einer Vorabversion zur Verfügung. Ob Google Wave, das weithin unter dem sperrigen Begriff "Kollaborationsdienst" geführt wird, den hohen Erwartungen, die seit der offiziellen Ankündigung im Mai dieses Jahres in das Produkt gesetzt wurden, gerecht werden kann, bleibt abzuwarten. Das Interesse an den exklusiven Einladungen war und ist enorm groß, auf eBay wurden gar dreistellige Dollarbeträge für einen "Invite" geboten.
Der Einstieg in Google Wave ist zugleich…
einfach wie ungewohnt. Während sich die Bedienung des Dienstes grundsätzlich intuitiv gestaltet, muss sich der User jedoch auf eine neue Kommunikationsform einlassen, die zunächst etwas befremdlich wirken kann. Eine Wave, wie sich die Kommunikationsstränge – in etwa vergleichbar mit einem Thread in Onlineforen – nennen, ähnelt im Aufbau einem Baum. Durch zahlreiche Sub-Unterhaltungsstränge (Wavelets), die aus einzelnen Nachrichten (Blips) entstehen, kann sich eine Wave im Gesprächsverlauf schnell in die Unübersichtlichkeit verästeln. Die Möglichkeit, Unterhaltungsstränge mittels "Playback"-Funktion chronologisch nachzulesen, ist daher durchaus sinnvoll – besonders nützlich zum Beispiel für User, die erst nachträglich in eine laufende Wave einsteigen. Zur Orientierung hilft außerdem die Möglichkeit, Waves mit Tags zu kennzeichnen, was die spätere Suche nach Inhalten erleichtert. Das Taggen einzelner Blips ist derzeit allerdings nicht möglich.
Bei den einzelnen Funktionen von Google Wave handelt es sich um keine tatsächlichen Innovationen – die Elemente sind von diversen Webdiensten wie E-Mail, Instant Messaging oder Social Networking hinreichend bekannt. Das von Google propagierte "Revolutionäre" liegt wohl eher in der Verknüpfung all dieser Kommunikationstools innerhalb eines Angebots, ohne dabei in den direkten Vergleich mit einem einzelnen Service zu treten. "Es soll nicht versucht werden, Google Wave in irgendeine Schublade zu packen. Das Produkt versteht sich nicht als Ersatz für E-Mail oder Instant Messenger", betont auch Google-Sprecher Kay Oberbeck. Vielmehr biete Wave eine völlig neue Art von Echtzeit-Kommunikation, bei der auch Google selbst noch viel zu lernen habe. Daher sei derzeit auch offen, wann die nächste Einladungsrunde gestartet und neue Nutzer in die Testphase dazugeholt werden. Das hänge vor allem von der Stabilität und auch vom Feedback der User ab.
Dass sich in Wave zurzeit noch zahlreiche Bugs tummeln und die Plattform auf wackligen Beinen steht, darauf hat Google von vornherein hingewiesen. Angesichts dessen, dass es sich aktuell um eine Preview-Version handelt, muss auch noch auf diverse Funktionen verzichtet werden. So ist etwa der Bereich "Settings", in dem sich später auch Privateinstellungen definieren lassen sollen, noch komplett inaktiv. Auch die Datei-Upload-Funktionen innerhalb der einzelnen Waves sind noch nicht nutzbar. Allein über Googles hauseigenen Browser Chrome können bereits via Drag-and-Drop Files direkt vom Desktop (besonders schnell und einfach) in eine Wave gezogen und dort anderen zur Verfügung gestellt werden. "Künftig soll es natürlich über alle Browser möglich sein, Dateien mit anderen zu teilen bzw. zu tauschen", so Oberbeck.
Offen bleibt die Frage, wie erfolgreich bzw. auch wie schnell sich der Dienst bei Privatnutzern etablieren wird. Davon wird wohl auch abhängen, ob sich Google Wave in einer professionellen Anwendung bei Unternehmen durchsetzen kann. Dass alle Beiträge – nicht nur die eigenen – von sämtlichen Nutzern innerhalb einer Wave editierbar sind, trägt einerseits zu einem regen und aktiven Austausch und zur Verbreitung neuer Ideen bei. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob insbesondere im Hinblick auf Unternehmen dadurch nicht mehr Chaos als sinnvolle Arbeit entsteht. Die Frage nach moderierten Waves bzw. der Einführung von Rechtevergaben an einzelne User drängt sich somit auf. Schleierhaft bleibt vorerst auch die automatische Vergabe einer E-Mailadresse (xy@googlewave.com) bei der Anmeldung – denn eine E-Mailfunktion bietet Google Wave (bislang) überhaupt nicht. Die Kontakte sind bereits mit dem Gmail-Adressverzeichnis verknüpft und werden darüber verwaltet, was auf eine starke Integration in die Google Cloud hindeutet.