Internet Summit Austria 2006 – Internet-Revolution kommt erst

Experten diskutieren die Bedeutung des Internets für die Wirtschaft

Die Internet-Revolution ist erst zu 10 – 15 Prozent abgeschlossen. Diese Einschätzung traf Michael R. Nelson, Director of Internet Technology and Strategy bei IBM, auf dem heute in der Wiener Hofburg auf Initiative der ISPA abgehaltenen „Internet Summit Austria 2006“. Für Nelson ist das Internet noch immer nicht Teil des Alltags, so wie es etwa die Elektrizität sei: „In Zukunft werden wir es hunderte Male am Tag in Dutzenden unterschiedlichen Wegen nutzen – ebenso wie wir Elektrizität nutzen. Die Herausforderung für die Zukunft liegt darin, sicherzustellen, dass das Internet weiterhin auf offenen Standards basiert, damit es eine offene Plattform für Innovation sein kann“, erklärte Nelson.

Breitband-Internet als Garant einer dynamischen Entwicklung

Kurt Einzinger, Generalsekretär der ISPA (der Internet Service Providers Austria), sieht den nachhaltigen Wettbewerb der Anbieter für Infrastruktur, Inhalte und Dienste für Breitband-Internet als besten Garant für eine dynamische Entwicklung der österreichischen Informationsgesellschaft. Alle internationalen Studien und Erfahrungen würden dies bestätigen, so Einzinger.

„Neben Schiene, Straße und Energie hat sich die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) zur wichtigsten Infrastruktur entwickelt. Vorraussetzung für jegliche IKT-Entwicklung eines Landes ist der Ausbau moderner Infrastruktur“, so Einzinger. Die Sicherstellung von nachhaltigem Wettbewerb auf allen Ebenen und die Förderung von Wettbewerb, wo er noch nicht genügend vorhanden ist, muss nach Ansicht der ISPA vorrangige Aufgabe einer verantwortlichen IKT- und Medien-Politik sein. Effektive Regulierungsmaßnahmen müssten überall dort, wo Marktverzerrungen auftreten oder aus anderen Gründen kein Wettbewerb sich entwickelt, eingesetzt werden, um wettbewerbsfördernde Rahmenbedingen herzustellen. In diesem Zusammenhang unterstrich Einzinger die Forderung nach einem Bundesministerium für Informationsgesellschaft und Medien (BMIM) nach dem Vorbild der Europäischen Kommission.

Fairer und nachhaltiger Wettbewerb nötig

Durch fördernde Rahmenbedingungen für Markteintritt und Wettbewerb und durch nachfrageseitige Förderungen in Bereichen, wo nicht genügend Marktanreize existieren, sollte nach Meinung der ISPA der Breitbandausbau und die tatsächliche Breitbandnutzung verstärkt vorangetrieben werden. „Insbesondere der Förderung eines fairen und nachhaltigen Wettbewerbs kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Denn nachhaltiger Wettbewerb ist durch die Verbreiterung des Angebots und die Differenzierung bei Preis und Produktausstattung die effizienteste Form, um nachfrageseitig positive Effekte zu erzielen und damit nicht nur die technische Verfügbarkeit, sondern auch die tatsächliche Nutzung von Breitband-Internet zu erhöhen“, erklärte ISPA-Präsident Georg Chytil.

Erfreut zeigte sich Chytil über die Ankündigung von Bundeskanzler Schüssel, der vor nicht ganz zwei Wochen erklärt hatte, in den nächsten Jahren rund 500 Millionen Euro in den Ausbau der Breitbandinfrastruktur fließen zu lassen. „Das ist sehr viel Geld – es sollte daher auch effektiv verwendet werden, ohne dass dadurch Marktverzerrungen bewirkt werden oder der Wettbewerb zurück gedrängt wird. Wir sind gerne bereit, mit unserer Expertise und Marktkenntnis bei einer sinnvollen und nachhaltigen Verwendung der finanziellen Mittel mitzuarbeiten.“

Das Internet bilde schon heute die Grundlage für weite Teile des Wirtschaftslebens in Österreich, ergänzte Einzinger in seinen Ausführungen. Die Stärkung, Sicherung und Ausdehnung dieser Grundlage werde zweifelsohne nur positive Wachtums- und Katalysatoreffekte auf die Wirtschaftsleistung Österreichs haben. „Auch aus globalen Konkurrenzgründen ist dies notwendig, wenn man nicht gegenüber vielen anderen Ländern wirtschaftlich zurückfallen will“, so der ISPA-Generalsekretär.

Content – Politik ist gefordert

Für Einzinger sind Breitbandnetze mit starken Motoren für Wachstum, Innovation und gesellschaftliche Emanzipation vergleichbar. Aber Motoren benötigten Brennstoff. Breitbandnetze werden durch das Verlangen der Nutzer nach einer immer größer werdenden Anzahl von hochqualitativen Inhalten, Anwendungen und Endgeräten, die auch über diese Netze gekauft werden, angetrieben. Die Ermöglichung der Zurverfügungstellung von Inhalten (Content) und Diensten ist für die ISPA somit einer der kritischen Faktoren für die Entwicklung der Informationsgesellschaft. Insbesondere traditionelle Medienkonzerne sehen diese Entwicklung als Gefahr und nicht als Chance.

Die Politik sollte nach Meinung von Einzinger die Grundlagen dafür legen, dass ein offener Zugang und freier Wettbewerb der Inhalte über die Breitbandnetze möglich wird. Die Regelung der Rechtesituation für digitalen Content sei für die Interessensvertretung des heimischen Internets eine wichtige Aufgabe.

Internet ist unerlässlich für den Geschäftserfolg

Für David Farber, Professor an der US-amerikanischen Carnegie Mellon University und ehemaliger Chef-Technologe der FCC, ist das Internet sowohl intern als auch extern unerlässlich für den Erfolg eines Unternehmens. Die Zeitkonstanten bei den heutigen Geschäftsbeziehungen seien einfach zu kurz, sogar für einen Express-Versand, denn Unternehmen existierten über Landesgrenzen und Kontinente hinaus.

„Wie wichtig das Internet vor allem für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) ist, erklärte Farber anhand eines praktischen Beispiels: „Viele Kleinunternehmen funktionieren nur aufgrund des Internets. Ein Coffee-Shop in Chicago kann international bekannt werden und Produkte im ganzen Land verkaufen. Versuchen Sie das doch einmal ohne Internet!“

Online-Bestellung im Großhandel an der Tagesordnung

Ähnlich sieht Chytil die derzeitige Entwicklung: Wo gestern noch mit Email kommuniziert und per Web informiert wurde, finde heute die Interaktion auf Business-Portalen statt – viele Unternehmen erwirtschafteten den Großteil – manche sogar ihre gesamten Umsätze – online.

„Im Großhandel ist die Online-Bestellung inzwischen Usus, außer bei notwendigen Beratungsgesprächen wird kaum noch zum Telefon gegriffen. Ist das Webinterface einmal akzeptiert, kann die Transaktion mit einer tieferen Integration sowohl beim Anbieter wie beim Käufer ohne Medienbruch in die Logistikkette eingebunden werden. Noch integrierter interagiert beispielsweise das Enterprise Ressource Planning (ERP) des Kunden direkt mit dem Webportal des Anbieters“, so der lSPA-Präsident.

Chytil zitierte dazu ein Beispiel aus der Praxis: „Ein Vertriebsmann in einem ausländischen Verkaufsbüro einer Produktionsfirma für Steinwolle hat über Internet direkten Zugriff auf das firmeninterne Bestellwesen. Bei einem Anruf vom Kunden kann er online Tagespreise abfragen, Wunschtermine überprüfen und Aufträge für die Produktion an einem anderen Standort des Konzerns erteilen. Über Internet wird die Auftragsbestätigung an den Endkunden gesandt, wird für den Fertigungstag ein Lastzug einer Spedition an den Produktionsort bestellt, die Rechnung wird über Internet übermittelt. Und die Bezahlung erfolgt über Online-Banking – nur dass in der Praxis der Kunde nicht mehr anruft, sondern seine Bestellung online übermittelt. Dadurch steigt die Effizienz der Dienstleistung und personelle Ressourcen können besser genutzt werden.“

Dynamik noch nicht abschätzbar

Wie das Strom- und Gasnetz sei auch das Internet inzwischen für den Geschäftskunden selbstverständlich. Oft werde dabei übersehen, wie jung das Medium sei, wie rasant sich die Technik weiterentwickelt, und wie unklar die legistischen, kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch seien. „Das Internet hat insgesamt eine noch nicht abschätzbare neue Dynamik in die Wirtschaft gebracht“, resümierte Chytil (ISPA, Wien, 20.09.2006).